Rede des Fraktionsvorsitzenden Thomas Trüper auf der Gemeinderatssitzung am 28.07.2020:
Die Fraktion LI.PAR.Tie. stimmt der vorgeschlagenen Nachtragshaushaltssatzung 2020 zu.
Die Vorgehensweise der Verwaltung, den Haushalt so umzuschichten, dass alle laufenden Ausgaben und Investitionen wie geplant getätigt werden können, ist vernünftig. Zurzeit kann nur auf Sicht gefahren werden, und das letztlich bei dickem Nebel. Wir ahnen viel und wissen wenig. Das fängt schon bei der letztendlichen Wirkung der Schutzschirme von Bund und Land an. Das zieht sich weiter zu den Covid-19-bedingten Einnahmeausfällen und Aufwandssteigerungen. Wir wissen auch nicht, welche Covid-19-bedingten langfristigen Änderungen des internationalen Wirtschaftslebens, der gesellschaftlichen Verhältnisse, des Verkehrsverhaltens etc. auf uns zukommen.
Z.B. die Automobilkrise, die schon vor der Pandemie im Gange war, weil den Konzernen der schnelle Profit wichtiger war als eine nachhaltige und innovative Entwicklung: Sie wird nicht plötzlich aufhören. Das wird unseren Haushalt nicht unberührt lassen. Welche Spuren hinterlässt Covid-19 bei den Steuereinnahmen? Wie wird es mit dem Einbruch des ÖPNV weitergehen? Wie wird sich die Beschäftigungsentwicklung darstellen? Wir wissen es nicht und deshalb sind auch die aktionistischen Anträge sinnlos, schnell die Investitionen oder die Personalkosten runterzufahren. Wir werden diese Anträge nicht unterstützen.
Trotzdem aber gilt auch hier: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Grundlegende Reaktionen werden kommen müssen.
Die entscheidende Frage, die sich die LI.PAR.Tie.-Fraktion dabei stellt, ist: Wer wird die Lasten der Krise am Ende tragen? Wir werden uns konsequent gegen die Ablastung auf den Schultern der Menschen mit geringeren Einkommen stellen. Die soziale Infrastruktur darf nicht leiden, sie wird im Gegenteil wahrscheinlich noch mehr leisten müssen.
Und wie sieht es mit den Investitionen aus? Die ½ Mrd. Euro, die im laufenden Planungszeitraum verausgabt werden sollen, stehen nicht für Projekte aus Saus und Braus, sondern für Bildung, Nachhaltigkeit, Infrastruktur, Kultur, Verkehrs- und Energiewende.
Nun kennen wir alle die Grafik des Kämmerers: Die Liquiditätsentwicklung sinkt schon jetzt laut Finanzplanung kontinuierlich bis auf den gesetzlichen Mindestbestand im Jahr 2023. Nach Covid-19 ist schwer vorstellbar, dass die fetten Jahre großer und überplanmäßiger Ergebnishaushaltsüberschüsse nach kurzer Pause gerade so weitergehen. (Immerhin sei aber daran erinnert, dass nach der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/9 die Erholung doch unerwartet schnell eintrat.) Es ist müßig, hier herumzuspekulieren. Es ist aber keineswegs müßig, darüber nachzudenken, wie die riesigen Zukunftsinvestitionen künftig finanziert werden sollen: Durch Ausquetschen des Ergebnishaushaltes mit zutiefst ungerechter Lastenverteilung oder aber teilweise auch durch längerfristige Refinanzierung von Zukunftsinvestitionen – das nennt man dann über Darlehensaufnahme (so, wie das ja alle unsere städtischen Gesellschaften notwendigerweise sowieso schon immer tun).
Im Übrigen wird es natürlich auch zu sehr spannenden und hoffentlich für die Menschen in den Kommunen positiv verlaufenden Entwicklungen kommen auf den Sektoren der innerstaatlichen Finanzströme wie auch bei der Frage, wie denn die bisher allzu sehr geschonten Milliardenvermögen zur Finanzierung der gesellschaftlichen Bedürfnisse endlich einmal effektiv herangezogen werden können.
Kurz und gut und wie gesagt: Wir stimmen der vorgeschlagenen Nachtragshaushaltssatzung zu.
Hintergrundinformation: Beschlussvorlage V347/2020 für die Nachtragshaushaltssatzung.