Der Gemeinderat möge beschließen:
- Die Reiss-Engelhorn-Museen werden zeitnah umbenannt. Dabei wird der Namensteil „Engelhorn“ nicht mehr enthalten sein.
- Die Stadt Mannheim setzt eine Kommission für die Namensfindung ein, die Vorschläge erarbeitet, ob die Museen wieder ihren ursprünglichen oder einen anderen Namen erhalten sollten.
- Die letzte Entscheidung über den Namen der Museen wird beim Gemeinderat der Stadt Mannheim liegen.
Begründung:
2001 wurde das 1957 gegründete und mehrfach erweiterte Reiß-Museum nach einer Schenkung in Höhe von 40 Mio. DM (ca. 20 Mio. Euro) durch die Curt-Engelhorn-Stiftung an die Stadt Mannheim in Reiss-Engelhorn-Museen (REM) umbenannt. Vorausgegangen war 1997 ein steuerrechtlich höchst fragwürdiger, aber aufgrund der Ausnutzung von Steuerschlupflöchern zulässiger Verkauf der Boehringer-Werke in Mannheim für 11 Mrd. US-Dollar (19 Mrd. DM bzw. ca. 9,5 Mrd. Euro) an die Schweizer Firma Hoffmann-La Roche, die heute als der größte Mannheimer Arbeitgeber unter dem Namen Roche firmiert. Curt Engelhorn, der mit 42 Prozent an diesem Geschäft beteiligt war, sparte Steuern in Milliardenhöhe ein. Der Stadt Mannheim entgingen nach Angaben der Verwaltung dadurch ca. 50 Mio. DM (ca. 25 Mio. Euro). Anderen Recherchen und Berechnungen zufolge – auf Grundlage des damaligen Spitzensteuersatzes von 53 % sowie des an die Stadt abzuführenden Steueranteils – war die Steuerschuld an die Stadt Mannheim um ein Vielfaches höher. Nicht berücksichtigt sind dabei die deutlich größeren Anteile, die dem deutschen Fiskus insgesamt entgangen sind. Curt Engelhorn freute sich sogar, „die Steuerfalle erfolgreich umgangen“ zu haben.
Diese Steuervermeidung wurde durch Curt Engelhorn lange vorbereitet und genaustens kalkuliert. Den Firmensitz verlegte er von Mannheim nach Luxemburg und Toronto, dann in die Schweiz. Seinen Wohnsitz verlegte er 1985 auf die Bahamas und gründete dort die Holdinggesellschaft Corange Ltd, in die er und die anderen Gesellschafter die Boehringer-Anteile einbrachten.
Als zweifelsfrei illegal erwiesen sich die späteren unversteuerten Schenkungen Curt Engelhorns an zwei Töchter, die dafür sogar zeitweise in U-Haft saßen und sich anschließend in die Schweiz absetzten. Nachträglich zahlten sie in einem Vergleich 145 Mio. Euro Steuern nach. Die 2017 veröffentlichten „Paradise Papers“ legen nahe, dass über die Engelhorn-eigene Angel Foundation und weitere Stiftungskonstruktionen erheblich mehr Vermögenswerte der Steuerpflicht in Deutschland entzogen wurden. Den Steuerfahndern waren von den rund 50 Briefkastenfirmen und Stiftungen weniger als zehn bekannt.
Bei Steuereinnahmen kann eine Kommune demokratisch bestimmen, was mit diesen Geldern geschieht bzw. wofür sie verwendet werden. Spenden und Stiftungsgelder sind zweckgebunden und können von der Steuer abgesetzt werden, sodass die vordergründige Großzügigkeit solcher Spenden aus demokratietheoretischer Sicht kritisch zu sehen ist. Kommunen machen sich abhängig vom Wohlwollen einzelner Mäzen*innen, anstatt selbst über die ihnen aus Steuereinnahmen zur Verfügung stehenden Mittel bestimmen zu können.
Die Benennung eines kommunalen Museumsverbundes nach einer Person, die durch Tricksereien mehrere Milliarden Euro Steuern der Öffentlichen Hand entzogen und sich durch eine Spende „aus der Portokasse“ die Namensgebung erkauft hat, ist völlig unangebracht und geradezu peinlich für die Stadt Mannheim. In der Tat hat er das Museum und dessen Arbeit gefördert. Es gibt aber viele Menschen, die im Gegensatz zu Curt Engelhorn wirklich Großes für die Allgemeinheit geleistet haben, angefangen bei der Familie Reiß, die fast ihr gesamtes Vermögen der Stadt gespendet hat. Deshalb ist es dringend geboten, die immer wieder aufkommende Diskussion um die Namensgebung der REM endlich zu Ende zu führen, den Namen Engelhorn zu entfernen und einen von der Stadtgesellschaft in breitem Konsens getragenen Namen zu finden: Entweder mit dem Namen einer Person, die diese Ehrung verdient, oder mit einem neuen und personenunabhängigen Namen.
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Quellen:
https://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-politik-legal-aber-umstritten-_arid,1143617.html
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-als-der-mannheimer-patriarch-curt-engelhorn-finanzminister-waigel-aergerte-_arid,1954653.html
https://www.juve.de/verfahren/steuerstrafverfahren-milliardaersfamilie-engelhorn-und-reinhard-poellath-kommen-glimpflich-davon/
https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wirtschaft/und-die-familie-engelhorn-e979936/
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/paradise-papers-die-deutschen-faelle-in-den-paradise-papers-1.3736420
https://kommunalinfo-mannheim.de/2017/11/16/steuerhinterziehung-in-milliardenhoehe-legal-und-illegal/
Abbildung: © Stadtmarketing Mannheim