Etatrede Thomas Trüper - Haushalt 20/21

Etatrede Thomas Trüper

WOHNEN UND VERKEHR –
ÖKOLOGISCH UND BEZAHLBAR FÜR ALLE!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Frau Bürgermeisterin und Herren Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren aus Gemeinderat und Verwaltung,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Öffentlichkeit und der Medien,

wir leben in einer widersprüchlichen Zeit: Einerseits „schwimmt“ die Stadt Mannheim im Vergleich zu vielen Vorjahren regelrecht im Geld – daher auch die Fähigkeit, ca. 700 Mio. Euro in den kommenden vier Jahren zu investieren, andererseits reicht das Geld angesichts der sich türmenden Aufgaben vorne und hinten nicht. Das hängt damit zusammen, dass einige Zukunftsaufgaben zu stemmen sind, deren Ausmaß man jeweils als Wende bezeichnen kann und für die gemeinsam gilt: So, wie bisher, werden wir nicht weitermachen können. Dies gilt für eine Wende im Wohnungsbau  ebenso wie für die Verkehrswende, die wiederum ein Teil der Klimawende ist, mit der wir verhindern müssen, dass die in Gang befindliche menschenverursachte Klimaänderung zu einer Erderwärmung größer 1,5°C führt.

Nicht als Wendenotwendigkeit, aber trotzdem massiv stellen sich auch die Anforderungen der Bildungsgerechtigkeit dar, die wiederum eine wesentliche Basis für das friedliche  Zusammenleben innerhalb der multiethnischen Metropolstadt Mannheim sind.  Es kommt einiges scheinbar plötzlich zusammen: Öffentliche Gebäude und Einrichtungen der Infrastrukturen aus der Nachkriegszeit müssen erneuert werden, weil ihre Qualität damals zu wünschen übrig ließ bzw. der technologische Zustand auch nicht mehr haltbar ist – z.B. das Nationaltheater. Gleiches gilt für Bauwerke der 70er Jahre, deren Abriss und Neubau günstiger als die Sanierung ist – siehe Technisches Rathaus. Insbesondere Brücken
machen Probleme, weil sie nicht für die Dauerbelastungen durch das rollende europäische Lagerhaus, die Bassen und die Größe der LKW gebaut waren.

Mannheim wächst entgegen der bis vor kurzem gepflegten Einschätzung einer eher abnehmenden Stadt. Mannheim hat auch viel dafür getan, dass es attraktiv ist und viele moderne Arbeitsplätze zu bieten hat. Nun fehlt es schon wieder an Kita- und Schulkapazitäten, erst recht in der Ganztagsversorgung. Und ganz dringlich gilt es, das mangelnde Angebot an leistbarem Wohnraum nachhaltig zu erhöhen. Nicht nur für zuziehende hochqualifizierte Fachkräfte, sondern für breite Schichten der Bevölkerung, die einen wachsenden Teil ihrer Einkünfte für das Wohnen ausgeben müssen und am Limit sind. Die Einkommen steigen keineswegs in dem Maß wie die Kosten des Wohnens. Im Gegenteil: Die alternde Gesellschaft bewegt sich in Teilen auf Altersarmut zu. Der Bundesverband der Tafeln beispielsweise stellt eine Zunahme der Kundinnen und Kunden im Rentenalter um 20 % innerhalb
eines Jahres fest.

Und alles findet gleichzeitig statt und verlangt nach investiven Ausgaben, die so aus dem Laufenden nicht zu leisten sind oder nur unter sträflicher Vernachlässigung laufender Aufgaben. Die Kommunen haben die hier angesprochenen Aufgabenbereiche Infrastruktur, Wohnen und Bildung in der Vergangenheit noch nie ausschließlich aus eigener Kraft stemmen können. So gab es z.B. bekanntlich den mit Milliarden geförderten sozialen Wohnungsbau und es gab auch mal einen sehr bedeutenden Werkswohnungsbau. Alles Vergangenheit! Die Wohnungswirtschaft ist heute zum weitaus größeren Teil in privater Hand und renditeorientiert. Man kann unseres Erachtens kommunale Haushaltspolitik nicht betreiben, ohne auf den  grundlegenden Missstand der gesellschaftlichen Ressourcenverteilung hinzuweisen. Die Kommunen, auch Mannheim, müssen hier eine deutliche Sprache sprechen. Ja – auch eine Finanzwende ist dringend erforderlich. Wenn die Ressourcenverteilung stimmt, braucht man sich um schwarze Nullen keine Sorgen zu machen.
So lange dies aber in weiter Ferne scheint, muss über die „schwarze Null“ diskutiert werden, über das Netto-Neuverschuldungsverbot. Der Erste Bürgermeister hat dies in seiner  Haushaltsrede auch getan mit dem Ergebnis: Auch hinsichtlich dieses selbst auferlegten Haushaltsgrundsatzes gilt das große „Weiter So“.
Das lässt sich aber ohnehin nur für den Kernhaushalt postulieren. Wohnen, Schulgebäude, Konversion, Nahverkehr, Energie und Krankenhausversorgung spielen sich in ihrem kommunalen Anteil in den privatrechtlichen Töchtern des „Konzerns Mannheim“ ab, die einerseits selbstverständlich auf den Kapitalmarkt zurückgreifen, andererseits von der Kommune durch Bürgschaften und Verlustübernahmegarantien abgesichert sind. Sie erledigen ihre Zukunftsaufgaben durch gestreckte Refinanzierung,  also durch Kredite.

Ein besonderes Merkmal unserer eingangs als widersprüchlich bezeichneten Zeit ist die nun schon Jahrzehnte dauernde weltweite Niedrigzinspolitik. Sie hat eine Flucht der steuerlich geschonten Vermögens- Billionen in den scheinbar renditegarantierten Immobilienmarkt verursacht. Pensionsfonds, Versicherungen, Milliardärsvermögen, auch Geldwäscher investieren in Immobilien. Ein Tröpfchen davon fiel auch auf die Turley-Baufelder 4 und 5. Die Nachfrage dieser riesigen Vermögen lässt die  Immobilien- und Baukosten explodieren. Die für den Gemeinnutz investierenden Kommunen wie Mannheim müssen die überhöhten Preise ebenfalls bezahlen. Aber von der Kehrseite, den extrem billigen und mit langen Laufzeiten versehenen Krediten, sollen die Kommunen nicht profitieren? Ewiges Hauptargument ist die angebliche Rücksichtnahme auf die nachfolgenden Generationen.
Sind denn aber der Schwarzen Null geopferte unterlassene Investitionen in Wohnungen, Schulen, Infrastruktur, Klima- und Verkehrswende etwa keine Belastungen für die nachfolgenden Generationen? Die Freitagsproteste der Jugend geben hier eine ganz klare Antwort!

Meine Damen und Herren,

wir haben diese Fest- und Fragestellungen deshalb so ausführlich an den Beginn unserer Haushaltsrede gestellt, weil wir der Meinung sind, dass hier ein neuer Diskurs stattfinden muss, um die Zukunftsaufgaben zu lösen, ohne die laufenden Aufgaben zu vernachlässigen und ohne – von der Öffentlichkeit kaum beachtet – die Schwarze Null durch Grundstücksverkäufe und zu stützen.

Leistbare Wohnungen neu bauen und halten!

Kommen wir zur Wohnungspolitik: Rechnet man alle seit Beginn der Konversion gebauten und darüber hinaus geplanten leistbaren Wohnungen zusammen, so gleichen diese den in  den letzten Jahren eingetretenen Verlust an bezahlbaren frei finanzierten und an aus der Mietpreisbindung gefallenen Wohnungen nicht aus. Erst recht ist nicht für die demografische und die Einkommensentwicklung großer Teile der Bevölkerung Sorge getragen. Wenn wir beispielsweise in der City eine Zunahme der gastronomischen Angebote begrüßen, müssen wir uns aber auch fragen: Wo können all die dort bei mäßiger Bezahlung beschäftigten Menschen wohnen? Für 10 Euro kalt? Gewiss nicht.
Gleiches gilt z.B. für die viele Dienstleistenden in der Daseinsvorsorge. Inzwischen beklagen selbst Wirtschaftsverbände den Mangel an bezahlbaren Wohnungen als Wachstumsbremse.

Was braucht es für bezahlbare Wohnungen? Erstens möglichst preisgünstige Grundstücke, zweitens kommunale Förderung nach dem 12-Punkte-Programm der Stadt und/oder Landesförderung. Drittens aber auch eine Eigentümerstruktur, die die neuen bezahlbaren Wohnungen (und auch die des  mittleren Preissegments) nicht renditeorientiert verwertet. Projektentwickler übergeben ihre Projekte meist unmittelbar dem profitorientierten Wohnungsmarkt. Es kommt also darauf an, möglichst viele Wohnungen in das Eigentum von Genossenschaften, Wohngruppen und vor allem aber der GBG zu platzieren. Das setzt wiederum voraus, dass die Stadt selbst über ihr Eigentum an Grundstücken diesen Prozess
steuern kann. Deshalb begrüßen wir die von uns schon lange geforderte Errichtung eines Bodenfonds als Beginn einer systematischen sozialen Bodennutzung. Der Fonds braucht allerdings erstmal Startkapital. Wir halten 10 Mio. Euro für die unterste denkbare Grenze, wenn die beabsichtigte Wirkung erreicht werden soll. Auch sollte ein solcher Fonds für Wohnungsbauflächen getrennt von einem ebenfalls sinnvollen Fonds für Gewerbegrundstücke geführt werden. Die größte nachhaltige Effizienz hätte allerdings eine Kapitalerhöhung für die GBG, um sie – beginnend im Bauabschnitt 1 auf Spinelli – in die Lage zu versetzen, auch fremd entwickelte Immobilien zu kaufen, insbesondere solche mit Sozialwohnungen, um sie vor einer „Karriere“ als Spekulationsobjekte zu bewahren und preisgünstigen Wohnraum langfristig zu sichern. Ab Bauabschnitt 2 muss die GBG in die Lage versetzt werden, größer einzusteigen. Die 30%-Quote allein reicht nicht mehr aus!

Gemeinsam für Klima- und Verkehrswende

Die zweite große Herausforderung der Haushaltspolitik ist der kommunale Anteil zur Klimawende. Die Stadt Mannheim hat sich dazu bekannt, alle ihr möglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise zu ergreifen. Dieser Kampf ist jedoch nicht nur die Summe vieler Einzelmaßnahmen, die für sich genommen schon eine Herausforderung darstellen, sondern sie erfordert einen Paradigmenwechsel. Die Klimawende muss gelebt werden. Dafür bedarf es neuer Rahmenbedingungen, zum Beispiel bei der Energie- und Wärmeerzeugung oder der Mobilität. Die Verkehrswende wird unter dem Eindruck der aktuellen Verkehrssituation breit diskutiert. Die Bereitschaft wächst, den  Autoverkehr in unserer Stadt stärker zu regulieren. Ziel muss eine deutliche Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs sein. Ein neuer Verkehrsentwicklungsplan, der in den kommenden Jahren und Jahrzehnten als Kompass für die Entwicklung der Mobilität in Mannheim und darüber hinaus dienen wird, ist in Arbeit.

Auch die Verkehrswende gibt es nicht umsonst

Wenn wir die Verkehrswende wirklich schaffen wollen, dürfen wir 2021 das Rad der Geschichte nicht in die Zeit vor der Green-City-Förderung zurückdrehen. Tariferhöhungen auf das alte Niveau plus dem üblichen vrn-Preisanstieg sind der Bevölkerung nicht zu erklären. Sie sind auch nicht geeignet, den ÖPNV gegenüber dem klimaschädlichen Autoverkehr zu stärken. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre u.E. das sogenannte 365-Euro-Jahresticket für den vrn-Gesamtbereich, beginnend mit dem 365-Euro-Maxx-Tickt. Dahinter verbirgt sich jedoch auch das Erfordernis einer grundlegenden Reform der Finanzierung des ÖPNV als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Kommune kann die einmalige Modellförderung des Bundes nicht einfach aus eigenen Mitteln ersetzen. Im Zusammenhang mit Tarifreformen muss endlich auch ein Monats-Sozialticket als eigenes Tarifangebot des vrn mit Nachdruck in Angriff genommen werden. Nach Ablauf der Bundesförderung Ende 2020 muss auf jeden Fall das bescheidene, aber sehr nachgefragte Angebot von 20 Sozial-Einfachtickets je Monat und Berechtigten sichergestellt werden. Langfristig fordern wir den fahrscheinlosen, steuer- bzw. umlagefinanzierten ÖPNV. Nur so gibt es eine substanzielle Verbesserung der Klimabilanz.Als konkrete Verbesserungen der öffentlichen Nahverkehrs-Infrastruktur unterstützen wir die Forderung nach einem Bahnknotenpunkt für S-Bahn und Straßenbahn an der BBC-Brücke in Käfertal. Wir halten auch eine neue Straßenbahnlinie durch die Quartierserweiterung Käfertal-Süd für unverzichtbar. Hier muss die Stadt verstärkt Fördermittel von Land und Bund einfordern, auch um die Bedenken der Fans hoher Stellplatz-Schlüssel glaubwürdig zu zerstreuen.

Bildungsgerechtigkeit – Investition in die Zukunft
Meine Damen und Herren,

eine weitere unabdingbare Investition in die Zukunft ist die Verbesserung der Bildungsangebote in unserer Stadt. Dazu gehören neben den Schulsanierungen der Ausbau der Ganztagesschulen und Verbesserungen in der Ganztagesbetreuung, alles unter Einbeziehung der Inklusion. Bis alle Mannheimer  Schulen zu Ganztagesschulen entwickelt sind, muss die Schulkindbetreuung ausgebaut und qualitativ verbessert werden – ein inzwischen bundesrechtlicher Anspruch. Möge der Bund nun auch  das notwendige Geld hinterherschicken! Wir müssen unter Einbeziehung der Freien Träger einen Ganztagesbetreuungsplatz für jede Schülerin und jeden Schüler gewährleisten können, die (noch) keine Ganztagesschule besuchen.
Vollversorgung ist im Übrigen auch für die Kinder im Krippen- und Kita-Alter zu gewährleisten: Jedes Kind hat in seinem Stadtteil einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz, wobei VÖ-Plätze mit verlängerten Öffnungszeiten nur einen geringen Anteil ausmachen dürfen. Plätze mit sog. Regelöffnungszeiten sind nicht mehr zeitgemäß.
Zurück zu den Schulen: Wir fordern auch einen rascheren flächendeckenden Ausbau der Schulsozialarbeit. Jede Schule in Mannheim soll mindestens mit einer 50-%-Kraft ausgestattet  sein. Und wir wollen ein Erfolgsmodell weiter verbreiten: Der Mannheimer Süden braucht eine Integrierte Gesamtschule bzw. eine Gemeinschaftsschule mit Sekundarstufe 2. Die IGMH, die seit 1973 vorbildlich für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit steht, hat Jahr für Jahr doppelt so viel Bewerbungen für die 5. Klasse, als sie aufnehmen kann, darunter auch viele Kinder aus weiter entfernten Stadtteilen. Deshalb ist die Zeit längst reif für eine zweite Gesamt- oder Gemeinschaftsschule bis zum Abitur.

Armutsbekämpfung und Teilhabe
Doch Bildungsgerechtigkeit ist nur eine Maßnahme der Armutsbekämpfung. Mannheim ist die Stadt mit den meisten Transferleistungsempfänger*innen nach SGB II und SGB XII in Baden-Württemberg, mehr als 25% der Kinder leben in Bedarfsgemeinschaften. Besonders alarmierend ist die konstante
Zahl von Langzeiterwerbslosen. Die Idee einer kommunalen Servicegesellschaft, die besonders solchen Menschen eine Erwerbschance bietet bzw. Aufstockenden eine tariflich bezahlte Arbeit, muss endlich umgesetzt werden. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, das Sanktionen von über 30 Prozent Leistungskürzung als grundgesetzwidrig weitgehend ausgeschlossen hat, muss die Stadt endlich ihren Einfluss als Co-Träger des Jobcenters Mannheim wahrnehmen, um das Sanktionsregime insgesamt durch einen
Paradigmenwechsel zu beenden. Dieses Regime holt niemanden aus der Leistungsabhängigkeit und schafft keine Einkommensmöglichkeiten, es ist einfach nur eine primitive Strafmaßnahme und damit unwürdig für eine moderne, aufgeklärte Gesellschaft. Ein weiteres Defizit hat die Stadt selbst geschaffen, als sie faktisch den Sozialpass als wirkungsvolles
Instrument der Teilhabe für ärmere Mitbürgerinnen und Mitbürger abschaffte, um ihn teilweise durch den Familienpass und Familienpass plus zu ersetzen. Heute hat der Sozialpass nur noch Bedeutung für den Erhalt des Sozialtickets und einiger weniger Vergünstigungen, unter anderem für Abendakademie-Kurse und Stadtpark-Jahreskarten. Der Sozialpass muss die umfassende Teilhabe von Menschen mit geringem Einkommen sicherstellen, unabhängig von ihrer familiären Situation. Wir stellen dazu einen eigenen Haushaltsantrag.
In diesem Sinne beantragen wir auch eine Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung. Was längst in vielen Städten existiert, muss auch in Mannheim eingeführt werden, schon um die Leistungserbringer nicht auf ihren Kosten sitzen zu lassen. Es geht um die Einbeziehung oder Wiedereinbeziehung  der betroffenen Menschen in die gesetzliche Krankenversicherung. Möglichst lange Teilhabe in einer alternden Gesellschaft muss organisiert werden. Hierzu bedürfen die Seniorentreffs einer grundlegenden Sanierung, Herstellung der Barrierefreiheit, ausreichende Sachmittel und vor allem gerontologisch geschultes sozialpädagogisches Personal. Zunächst braucht es ein Konzept, welches die Seniorentreffs auch im Sinne der Begegnung zwischen den Generationen grundlegend reformiert. Hierzu haben wir ebenfalls einen Antrag gestellt. Leitbild umsetzen Armutsbekämpfung und Teilhabe ist ein Grundbaustein für gesellschaftliche Nachhaltigkeit und Zusammenhalt. Nichts anderes besagt ja auch das erste Ziel des Leitbildes Mannheim 2030: „Mannheim gewährleistet Bildungsgerechtigkeit und verhindert Armut. Die soziale und kulturelle Teilhabe aller Mannheimerinnen und Mannheimer ist sichergestellt“.
Wir begrüßen die Formulierung des Leitbildes Mannheim 2030 und vergessen dabei auch nicht die quasi Langversion mit den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen. Es wäre fatal, wenn das Leitbild im Deklamatorischen hängen bliebe. Die internationale Umtriebigkeit des Oberbürgermeisters hat ja nun auch dazu geführt, dass der Umsetzungsprozess in Mannheim international unter Beobachtung steht.
Auch die wirkungsorientierte Verwaltung ist eine Errungenschaft. Geld einzusetzen und Verwaltung zu beschäftigen, ohne definierte Wirkungen zu erzielen und diese auch zu verifizieren, ist ersichtlich sinnarm. Die Frage ist jedoch angesichts der Vielfalt von Interessenslagen und denkbaren Zielen in einer urbanen Metropole, welches jetzt die wichtigen und richtigen Ziele sind, welche Ziele Priorität genießen und welche zurückgestellt oder als irrelevant oder nur „nice to have“ qualifiziert oder gar abqualifiziert werden. Das muss politisch entschieden werden. Auch ist die Wirkungs-Messbarkeit in vielen Bereichen ein hervorragendes Entscheidungsinstrument – sie lässt sich jedoch nicht überall einsetzen. Dies zu missachten macht aus einem guten System eine schlechte Orthodoxie. Dynamisierung der Personalkosten freier Träger Sehr gut lässt sich die Wirkung von Mitteleinsatz und Methoden im gesamten Bildungsbereich messen – die Beispiele für die Messbarkeit von Wirkungen stammen deshalb meist aus dem Bildungsbereich: Schulabbrecher*innen, Sprachkompetenz-Defizite, Übergangsquoten etc. sind naheliegende Kriterien.

Wie aber sieht es beispielsweise bei der offenen Jugendarbeit aus? Persönlichkeitsförderung, politische  Bildung: Wie soll hier Wirkung gemessen und zugeordnet werden, zumal, wenn sie z.B. erst 10 Jahre später zur Entfaltung kommt? Wie wird die Wirkung mangelhafter oder unterlassener Jugendarbeit gemessen und zugeordnet? Hier müssen wir uns auf Fachlichkeit und ein wenig auch auf den gesunden Menschenverstand verlassen. Nach unserer Auffassung ist offene Jugendarbeit neben der formalen Schulbildung ein strategisch wichtiges Gebiet, das auch entsprechende finanzielle und personelle Ausstattung braucht.
Die Mannheimer Zivilgesellschaft hat unglaublich viele Stützen – oft in ehrenamtlicher und professioneller Zusammenarbeit. Sie erfüllen häufig Aufgaben, die sonst im Sinne eines gelingenden Zusammenlebens in der Stadtgesellschaft von der Kommune getragen werden müssten. Ein Beispiel von vielen ist der Gesundheitstreffpunkt, der u.a. ein Dach für 240 Selbsthilfegruppen, Information und Beratung bietet. Wie sollte hier die Wirkung gemessen werden? Jeder Vernünftige weiß aber, dass solche Arbeit für die Stadtgesellschaft hohe Bedeutung hat und Reduzierung oder Wegfall ein großer Verlust wäre. Wenn solche Arbeit jedoch wichtig ist, bedarf sie auch öffentlicher Unterstützung. Professionelle
Kräfte dürfen nicht, nur weil sie nicht Teil der Verwaltung sind, von der Einkommensentwicklung abgehängt werden. Und auch bei den Sachkosten gibt es eine Teuerungsrate. Wir fordern daher eine angemessene Dynamisierung der kommunalen Unterstützung, wo sie nicht gegeben ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bedeutung von Ehrenamtspauschalen als Zeichen der Wertschätzung hinzuweisen. Gleiches gilt z.B. für den Kulturbereich.

Naturverständnis in der Stadt
Meine Damen und Herren,
lassen Sie mich abschließend nochmals auf das Thema „Natur in der hochverdichteten Stadt“ zu  sprechen kommen, das viele Berührungspunkte mit dem Thema „Klima“ aufweist. Immer mehr Menschen engagieren sich für mehr Tierschutz und Tierrechte. Die Notwendigkeit, den vierbeinigen und fliegenden Bewohnern Mannheims mehr Aufmerksamkeit zu widmen, dringt allmählich ins gesellschaftliche Bewusstsein. Nach dem Antrag auf eine Katzenschutzverordnung beantragen wir eine dauerhafte Befreiung von der Hundesteuer für Hunde aus dem Tierheim. Das Thema Tierwohl wird uns noch häufiger beschäftigen müssen. Wir begrüßen ausdrücklich die BUGA in Mannheim, die auch wieder mit großen städtebaulichen Impulsen verbunden ist. Sie hat ein hohes Potenzial, auf Themen wie Naturschutz, Stadtgrün und Klima- und Umweltschutz hinzuweisen. Einen Misserfolg der BUGA, kann sich Mannheim nicht leisten. Daran dürften auch BUGA-Skeptiker kein Interesse haben. Umso wichtiger ist, dass nun schnell ein tragbares und für alle Anwohner*innen akzeptables Verkehrskonzept entwickelt und vorgestellt wird. Dass nun auch der Luisenpark im Rahmen einer Konsensbildung als BUGA-Ort einbezogen und weiterentwickelt wird, ist begrüßenswert. Sehr viele Menschen zumindest im Mannheimer Norden und der Neckarstadt haben nun aber im letzten Jahr zu Recht ihre Sorge zum Ausdruck gebracht,
dass die Grüne Lunge Herzogenriedpark darüber in Vergessenheit gerät. Ein bürgerschaftlicher Beteiligungsprozess der Stadtpark GmbH zur Weiterentwicklung des Herzogenriedparks mit sehr guten Ergebnissen war die Folge. Unklar ist allerdings bis jetzt, ob und wie die Grüne Schule, die auch für diesen Park gewünscht wird, im Rahmen des Budgets von 1,9 Mio. Euro verwirklichbar ist. Zur Unterstützung der Stadtpark Mannheim GmbH beantragen wir daher Planungsmittel für eine Machbarkeitsstudie zu diesem in vielerlei Hinsicht wichtigen Lernort.
Kurzum: Es gibt sehr vieles zu tun und auch manches grundlegend zu ändern. Packen wir es an!
Wir wünschen uns allen eine gedeihliche Etat-Diskussion und gute Entscheidungen.

 

Die komplette Rede als PDF finden Sie hier.